Unterhaltsvorschuss – Der staatliche Vorschuss für Alleinerziehende
Wenn ein unterhaltspflichtiger Elternteil keinen oder zu wenig Kindesunterhalt zahlt, bedeutet das für den betreuenden Elternteil oft eine erhebliche finanzielle Belastung. Um diese Lücke zu schließen, gibt es den staatlichen Unterhaltsvorschuss. Dieser Ratgeber erklärt, was der Unterhaltsvorschuss ist, wer ihn beantragen kann und welche Bedingungen dafür gelten.
Was ist der Unterhaltsvorschuss?
Der Unterhaltsvorschuss ist eine staatliche Leistung nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG), die Kinder alleinerziehender Eltern finanziell absichern soll, wenn der andere Elternteil keinen, nicht regelmäßig oder zu wenig Unterhalt zahlt.
Wichtige Merkmale:
- Es handelt sich um eine Vorschussleistung, keine Sozialleistung
- Der Staat tritt in Vorleistung und versucht anschließend, das Geld vom unterhaltspflichtigen Elternteil zurückzuholen
- Die Leistung ist unabhängig vom Einkommen des betreuenden Elternteils (mit Ausnahmen bei älteren Kindern)
- Der Anspruch besteht zusätzlich zu anderen Sozialleistungen wie Kindergeld
Wer hat Anspruch auf Unterhaltsvorschuss?
Anspruchsberechtigt sind Kinder, die:
- bei einem alleinerziehenden Elternteil leben
- keinen oder nicht regelmäßig Unterhalt vom anderen Elternteil erhalten
- unter 18 Jahre alt sind
- ihren Wohnsitz in Deutschland haben
Was bedeutet "alleinerziehend" im Sinne des UVG?
Als alleinerziehend im Sinne des Unterhaltsvorschussgesetzes gilt ein Elternteil, wenn er:
- ledig, verwitwet oder geschieden ist, oder
- von seinem Ehepartner/seiner Ehepartnerin dauerhaft getrennt lebt (mindestens 6 Monate), oder
- einen Ehepartner/eine Ehepartnerin hat, der/die für voraussichtlich mindestens 6 Monate in einer Einrichtung untergebracht ist
Wichtig: Lebt der betreuende Elternteil in einer neuen Partnerschaft, hängt der Anspruch davon ab, ob eine Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft besteht. Das bloße Zusammenleben mit einem neuen Partner führt nicht zum Verlust des Anspruchs.
Höhe des Unterhaltsvorschusses
Die Höhe des Unterhaltsvorschusses orientiert sich am Mindestunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle, abzüglich des vollen Kindergeldbetrags für ein erstes Kind. Für 2025 gelten folgende monatliche Beträge:
Altersgruppe | Mindestunterhalt | - Kindergeld | = Unterhaltsvorschuss |
---|---|---|---|
0-5 Jahre | 502 € | 250 € | 252 € |
6-11 Jahre | 576 € | 250 € | 326 € |
12-17 Jahre | 674 € | 250 € | 424 € |
Hinweis: Diese Beträge werden regelmäßig angepasst. Die aktuellsten Werte finden Sie auf den Webseiten der zuständigen Jugendämter.
Teilweiser Unterhaltsvorschuss
Zahlt der unterhaltspflichtige Elternteil einen Teil des Unterhalts, aber weniger als den vollen Unterhaltsvorschuss, wird die Differenz als Unterhaltsvorschuss gezahlt. Beispiel:
Ein Kind (7 Jahre) hat Anspruch auf 326 € Unterhaltsvorschuss. Der Vater zahlt nur 150 € monatlich. Das Jugendamt zahlt die Differenz von 176 € als Unterhaltsvorschuss.
Anrechnung von Unterhaltszahlungen
Folgende Zahlungen werden auf den Unterhaltsvorschuss angerechnet:
- Direkte Unterhaltszahlungen des unterhaltspflichtigen Elternteils
- Waisenbezüge nach dem anderen Elternteil
- Schadenersatzleistungen, die wegen des Todes des anderen Elternteils gezahlt werden
Zusätzliche Voraussetzungen für Kinder zwischen 12 und 17 Jahren
Für Kinder ab 12 Jahren bis zum vollendeten 18. Lebensjahr gelten zusätzliche Voraussetzungen:
Entweder:
- Das Kind oder der betreuende Elternteil beziehen keine Leistungen nach dem SGB II (Grundsicherung/Bürgergeld)
Oder:
- Der betreuende Elternteil bezieht SGB II-Leistungen, verfügt aber über ein eigenes Bruttoeinkommen von mindestens 600 € monatlich
Diese Regelung soll verhindern, dass der Unterhaltsvorschuss vollständig auf die SGB II-Leistungen angerechnet wird und somit keinen tatsächlichen Vorteil bringt.
Antragstellung und erforderliche Unterlagen
Wo wird der Antrag gestellt?
Der Antrag auf Unterhaltsvorschuss muss beim zuständigen Jugendamt gestellt werden. Zuständig ist das Jugendamt am Wohnort des Kindes und des betreuenden Elternteils.
Welche Unterlagen werden benötigt?
Für den Antrag werden in der Regel folgende Unterlagen benötigt:
- Personalausweis des antragstellenden Elternteils
- Geburtsurkunde des Kindes
- Meldebestätigung für Elternteil und Kind
- Nachweise über bestehende Unterhaltszahlungen oder -titel (falls vorhanden)
- Bei Trennung: Nachweis über den Trennungszeitpunkt
- Bei Scheidung: Scheidungsurteil
- Nachweise über Einkommen des Kindes (falls vorhanden)
- Bei Kindern ab 15 Jahren: Schulbescheinigung
- Bei Kindern ab 12 Jahren: ggf. Nachweise über Einkommen des betreuenden Elternteils oder SGB II-Bescheid
Tipp: Viele Jugendämter bieten mittlerweile Online-Formulare für die Antragstellung an. Erkundigen Sie sich auf der Website Ihres zuständigen Jugendamts.
Dauer des Leistungsbezugs
Seit der Reform des Unterhaltsvorschussgesetzes im Jahr 2017 kann der Unterhaltsvorschuss für folgende Zeiträume bezogen werden:
- Für alle berechtigten Kinder bis zum 18. Geburtstag
- Ohne zeitliche Begrenzung (früher galt eine Höchstbezugsdauer von 72 Monaten)
Der Anspruch beginnt mit dem Monat der Antragstellung. Eine rückwirkende Beantragung ist für einen Monat vor Antragstellung möglich, wenn die Voraussetzungen bereits zu diesem Zeitpunkt vorlagen und der betreuende Elternteil nachweislich alles unternommen hat, um Unterhaltszahlungen vom anderen Elternteil zu erhalten.
Wichtig: Der Unterhaltsvorschuss wird in der Regel für 6 Monate bewilligt und muss danach neu beantragt werden.
Rückforderung des Unterhaltsvorschusses
Der Unterhaltsvorschuss ist eine Vorleistung des Staates. Das bedeutet:
-
Forderungsübergang: Mit Zahlung des Unterhaltsvorschusses geht der Unterhaltsanspruch des Kindes gegen den unterhaltspflichtigen Elternteil in Höhe des gezahlten Betrages auf den Staat über (§ 7 UVG).
-
Rückforderung: Das Jugendamt versucht, den gezahlten Unterhaltsvorschuss vom unterhaltspflichtigen Elternteil zurückzuholen. Dazu kann es:
- bestehende Unterhaltstitel vollstrecken
- eigene Unterhaltstitel erwirken
- Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einleiten
- Pfändungen vornehmen
-
Mitwirkungspflichten: Der betreuende Elternteil ist verpflichtet, bei der Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs gegen den anderen Elternteil mitzuwirken und alle relevanten Informationen offenzulegen.
Die Rückforderungsquote lag 2024 bundesweit bei etwa 25%. Das bedeutet, dass nur etwa ein Viertel der ausgezahlten Unterhaltsvorschüsse tatsächlich von den unterhaltspflichtigen Elternteilen zurückgeholt werden konnte.
Auswirkungen auf andere Leistungen
Der Unterhaltsvorschuss wird auf verschiedene andere Sozialleistungen angerechnet:
-
Bürgergeld/SGB II: Der Unterhaltsvorschuss wird vollständig als Einkommen des Kindes angerechnet und reduziert entsprechend die SGB II-Leistungen. Daher wurde die Sonderregelung für Kinder zwischen 12 und 17 Jahren eingeführt.
-
Wohngeld: Der Unterhaltsvorschuss wird als Einkommen berücksichtigt und kann zu einer Minderung des Wohngeldes führen.
-
Kinderzuschlag: Der Unterhaltsvorschuss wird als Einkommen des Kindes angerechnet und kann den Kinderzuschlag reduzieren.
Dagegen wird der Unterhaltsvorschuss nicht auf das Kindergeld angerechnet. Beide Leistungen können parallel bezogen werden.
Wann endet der Anspruch auf Unterhaltsvorschuss?
Der Anspruch auf Unterhaltsvorschuss endet, wenn:
- Das Kind das 18. Lebensjahr vollendet hat
- Das Kind nicht mehr bei dem alleinerziehenden Elternteil lebt
- Der betreuende Elternteil heiratet oder eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingeht (unabhängig davon, ob mit dem anderen Elternteil oder einer dritten Person)
- Der betreuende und der unterhaltspflichtige Elternteil wieder zusammenleben
- Der unterhaltspflichtige Elternteil seiner Unterhaltspflicht regelmäßig und in voller Höhe nachkommt
- Der Bedarf des Kindes durch eigenes Einkommen gedeckt werden kann
- Die Vaterschaft des Kindes nicht festgestellt ist und der betreuende Elternteil nicht bei der Feststellung mitwirkt
Besondere Fallkonstellationen
Auslandsbezug
Der Unterhaltsvorschuss kann auch gezahlt werden, wenn der unterhaltspflichtige Elternteil im Ausland lebt. Allerdings gelten hier besondere Bestimmungen:
- Der Anspruch besteht nur, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat
- Bei Unterhaltspflichtigen im EU-Ausland, der Schweiz und Ländern mit Gegenseitigkeitsabkommen versucht das Jugendamt, den Unterhalt im Ausland geltend zu machen
- In anderen Fällen kann die Durchsetzung der Unterhaltsansprüche schwierig sein
Vaterschaft nicht festgestellt
Ist die Vaterschaft nicht festgestellt, besteht dennoch ein Anspruch auf Unterhaltsvorschuss, wenn der betreuende Elternteil an der Feststellung der Vaterschaft mitwirkt. Dies umfasst:
- Die Benennung des mutmaßlichen Vaters, soweit bekannt
- Die Zustimmung zu genetischen Vaterschaftstests
- Die Mitwirkung bei gerichtlichen Verfahren zur Vaterschaftsfeststellung
Verweigert der betreuende Elternteil ohne triftigen Grund die Mitwirkung, kann der Unterhaltsvorschuss versagt oder entzogen werden.
Wechselmodell
Bei einem paritätischen Wechselmodell, bei dem das Kind etwa zu gleichen Teilen bei beiden Elternteilen lebt, besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Unterhaltsvorschuss, da die Voraussetzung "Leben bei einem alleinerziehenden Elternteil" nicht erfüllt ist.
Bei einem asymmetrischen Wechselmodell, bei dem das Kind überwiegend bei einem Elternteil lebt, kann hingegen ein Anspruch bestehen.
Rückzahlung zu Unrecht erhaltener Leistungen
Wurden Unterhaltsvorschussleistungen zu Unrecht bezogen, etwa weil:
- falsche Angaben gemacht wurden
- Änderungen in den Anspruchsvoraussetzungen nicht mitgeteilt wurden
- der unterhaltspflichtige Elternteil doch Unterhalt gezahlt hat
müssen diese zurückgezahlt werden. In solchen Fällen kann das Jugendamt:
- Die zu Unrecht bezogenen Beträge zurückfordern
- Bei vorsätzlich falschen Angaben ein Ordnungswidrigkeits- oder Strafverfahren einleiten
Wichtig: Alle Änderungen in den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen, die für den Anspruch relevant sein könnten, müssen dem Jugendamt unverzüglich mitgeteilt werden!
Tipps für die Praxis
Vor der Antragstellung
-
Unterhalt einfordern: Dokumentieren Sie alle Versuche, Unterhalt vom anderen Elternteil zu erhalten (Schriftverkehr, Zahlungsaufforderungen)
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Unterhaltstitel erwirken: Falls noch nicht geschehen, sollten Sie einen Unterhaltstitel (Urkunde, gerichtliche Entscheidung) erwirken
-
Beratung in Anspruch nehmen: Das Jugendamt bietet kostenlose Beratung zum Unterhaltsvorschuss an
Während des Bezugs
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Änderungen mitteilen: Informieren Sie das Jugendamt umgehend über alle relevanten Änderungen (neue Partnerschaft, Umzug, Einkommen des Kindes)
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Zahlungen dokumentieren: Führen Sie Buch über erhaltene Unterhaltszahlungen vom anderen Elternteil
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Bewilligungszeitraum beachten: Denken Sie daran, rechtzeitig einen Folgeantrag zu stellen
Häufige Fragen zum Unterhaltsvorschuss
Wird der Unterhaltsvorschuss rückwirkend gezahlt?
Der Unterhaltsvorschuss wird grundsätzlich ab dem Monat der Antragstellung gezahlt. Eine rückwirkende Zahlung für einen Monat vor der Antragstellung ist möglich, wenn die Voraussetzungen schon damals vorlagen und der betreuende Elternteil nachweislich alles unternommen hat, um Unterhalt zu erhalten.
Was passiert, wenn der unterhaltspflichtige Elternteil im Nachhinein zahlt?
Wenn der unterhaltspflichtige Elternteil nach Bezug von Unterhaltsvorschuss rückwirkend Unterhalt zahlt, muss dieser Betrag an die Unterhaltsvorschusskasse zurückgezahlt werden, da der Unterhaltsanspruch des Kindes in Höhe des gezahlten Unterhaltsvorschusses auf den Staat übergegangen ist.
Kann der Unterhaltsvorschuss gekürzt werden?
Der Unterhaltsvorschuss kann gekürzt werden, wenn:
- Der unterhaltspflichtige Elternteil Teilzahlungen leistet
- Das Kind eigenes Einkommen hat
- Der betreuende Elternteil seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkommt
Kann der unterhaltspflichtige Elternteil Umgang verweigern, wenn Unterhaltsvorschuss beantragt wird?
Nein. Umgangsrecht und Unterhaltspflicht sind rechtlich voneinander unabhängig. Die Beantragung von Unterhaltsvorschuss rechtfertigt nicht die Verweigerung des Umgangs mit dem Kind.
Fazit
Der Unterhaltsvorschuss ist eine wichtige finanzielle Unterstützung für alleinerziehende Eltern, deren Kinder keinen oder nicht ausreichend Unterhalt vom anderen Elternteil erhalten. Er sichert ein Mindesteinkommen für das Kind und entlastet den betreuenden Elternteil.
Wichtig ist, die Anspruchsvoraussetzungen genau zu prüfen, alle erforderlichen Unterlagen bereitzuhalten und während des Bezugs alle relevanten Änderungen rechtzeitig mitzuteilen, um Rückforderungen zu vermeiden.
Die Beantragung des Unterhaltsvorschusses schließt nicht aus, weiterhin Unterhalt vom anderen Elternteil einzufordern oder gerichtlich durchzusetzen. Im Gegenteil: Die Mitwirkung bei der Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs ist eine wichtige Voraussetzung für den Bezug von Unterhaltsvorschuss.
Hinweis: Dieser Artikel stellt keine Rechtsberatung dar und ersetzt nicht die individuelle Beratung durch das zuständige Jugendamt oder einen Fachanwalt für Familienrecht.