Wie wird Unterhalt durchgesetzt?
Die Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen kann manchmal schwierig sein, insbesondere wenn der Unterhaltspflichtige nicht zahlungswillig ist. In Deutschland gibt es jedoch verschiedene rechtliche Instrumente und Verfahren, um berechtigte Unterhaltsansprüche effektiv durchzusetzen. Diese Übersicht zeigt die wichtigsten Wege und Möglichkeiten auf.
Grundvoraussetzung: Der Unterhaltstitel
Um Unterhalt vollstrecken zu können, benötigt man in der Regel einen Unterhaltstitel. Dieser stellt die rechtliche Grundlage für die Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs dar.
Arten von Unterhaltstiteln
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Privatrechtliche Vereinbarungen
- Notariell beurkundete Unterhaltsverpflichtung
- Unterhaltsurkunde, errichtet vor dem Jugendamt (bei Kindesunterhalt)
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Gerichtliche Entscheidungen
- Gerichtlicher Vergleich
- Gerichtsbeschluss im vereinfachten Verfahren
- Urteil im Unterhaltsverfahren
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Einstweilige Anordnungen
- Vorläufige Regelung des Unterhalts während eines laufenden Verfahrens
- Besonders relevant bei dringendem Unterhaltsbedarf
Ein vollstreckbarer Titel ist Voraussetzung für alle weiteren Vollstreckungsmaßnahmen.
Wege zur Erlangung eines Unterhaltstitels
Freiwillige Unterhaltsvereinbarung
Die einfachste und kostengünstigste Methode ist eine freiwillige Einigung mit dem Unterhaltspflichtigen:
- Schriftliche Vereinbarung über Höhe, Zahlungsweise und Dauer des Unterhalts
- Notarielle Beurkundung, um einen vollstreckbaren Titel zu erhalten
- Bei Kindesunterhalt: Beurkundung beim Jugendamt (kostenlos)
Vereinfachtes Verfahren für den Kindesunterhalt
Für minderjährige Kinder gibt es ein spezielles vereinfachtes Verfahren nach §§ 249 ff. FamFG:
- Antragstellung beim zuständigen Familiengericht
- Standardisiertes Formularverfahren ohne mündliche Verhandlung
- Schnellere und kostengünstigere Alternative zum regulären Unterhaltsverfahren
- Nur begrenzte Einwendungsmöglichkeiten des Unterhaltspflichtigen
Reguläres Unterhaltsverfahren
Wenn keine Einigung möglich ist oder das vereinfachte Verfahren nicht in Frage kommt:
- Klage beim Familiengericht durch Antragsschrift
- Mündliche Verhandlung mit Beweisaufnahme
- Umfassende Prüfung von Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit
- Abschluss durch gerichtliche Entscheidung oder Vergleich
Einstweilige Anordnung
Bei dringendem Bedarf kann eine vorläufige Regelung beantragt werden:
- Beschleunigtes Verfahren bei akutem Unterhaltsbedarf
- Vorläufige Festsetzung des Unterhalts
- Geringere Anforderungen an den Nachweis der Anspruchsvoraussetzungen
- Spätere Korrektur im Hauptsacheverfahren möglich
Besonderheiten bei verschiedenen Unterhaltsarten
Kindesunterhalt
Für minderjährige Kinder gibt es besondere Unterstützungsmöglichkeiten:
- Beistandschaft beim Jugendamt: Kostenlose Hilfe bei der Geltendmachung und Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen
- Unterhaltsvorschuss: Staatliche Leistung, wenn der unterhaltspflichtige Elternteil nicht zahlt
- Vereinfachtes Verfahren: Speziell für den Kindesunterhalt entwickeltes Verfahren
Ehegattenunterhalt
Beim Ehegattenunterhalt ist zu unterscheiden zwischen:
- Trennungsunterhalt: Kann durch einstweilige Anordnung während des Scheidungsverfahrens geregelt werden
- Nachehelicher Unterhalt: Wird oft im Rahmen der Scheidung mit geregelt (Scheidungsfolgenvereinbarung)
Elternunterhalt
Beim Elternunterhalt wird häufig der Sozialhilfeträger tätig:
- Überleitung des Anspruchs auf den Sozialhilfeträger, wenn dieser in Vorleistung tritt
- Geltendmachung durch den Sozialhilfeträger gegenüber den unterhaltspflichtigen Kindern
- Zu beachten: Seit 2020 erst ab 100.000 € Jahresbruttoeinkommen
Vollstreckungsmaßnahmen bei Nichtzahlung
Wenn der Unterhaltspflichtige trotz Titel nicht zahlt, stehen verschiedene Vollstreckungsmaßnahmen zur Verfügung:
Pfändung von Einkommen und Vermögen
- Lohnpfändung: Direkter Zugriff auf das Arbeitseinkommen des Schuldners
- Kontopfändung: Pfändung von Bankguthaben
- Sachpfändung: Pfändung von beweglichem Vermögen
- Immobilienvollstreckung: In besonderen Fällen auch Zwangsversteigerung von Immobilien
Bei Unterhaltsforderungen gilt ein verringerter Pfändungsschutz für den Schuldner (§ 850d ZPO).
Vermögensauskunft
Wenn der Aufenthaltsort des Vermögens unbekannt ist:
- Eidesstattliche Versicherung des Schuldners über seine Vermögensverhältnisse
- Bei Verweigerung: Haftbefehl möglich
- Eintragung ins Schuldnerverzeichnis
Zwangsgeld und Zwangshaft
Bei vorsätzlicher Verletzung der Unterhaltspflicht:
- Festsetzung von Zwangsgeld
- In schweren Fällen: Zwangshaft zur Erzwingung der Unterhaltszahlung
- Relevant vor allem bei bewusster Zahlungsverweigerung trotz Leistungsfähigkeit
Staatliche Hilfen bei nicht durchsetzbarem Unterhalt
Unterhaltsvorschuss für Kinder
Wenn der Kindesunterhalt nicht oder nicht regelmäßig gezahlt wird:
- Staatliche Leistung nach dem Unterhaltsvorschussgesetz
- Für Kinder bis zum 18. Lebensjahr (mit bestimmten Einschränkungen ab 12 Jahren)
- Antragstellung beim Jugendamt
- Der Staat tritt in die Unterhaltsansprüche ein und versucht, diese vom Unterhaltspflichtigen zurückzuholen
Sozialleistungen
Bei nicht ausreichendem Unterhalt können weitere Sozialleistungen in Betracht kommen:
- Grundsicherung für Arbeitsuchende (ALG II/"Hartz IV")
- Sozialhilfe (insbesondere für Eltern im Pflegeheim relevant)
- Wohngeld
- Kinderzuschlag
Strafrechtliche Konsequenzen bei Unterhaltspflichtverletzung
Bei besonders schwerwiegender Verletzung der Unterhaltspflicht drohen auch strafrechtliche Konsequenzen:
- § 170 StGB: Verletzung der Unterhaltspflicht ist strafbar, wenn dadurch der Lebensbedarf des Berechtigten gefährdet wird
- Strafmaß: Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren
- Voraussetzung: Leistungsfähigkeit und böswillige Verweigerung
Besondere Durchsetzungsprobleme
Unterhaltspflichtiger im Ausland
Die Durchsetzung wird komplexer, wenn der Unterhaltspflichtige im Ausland lebt:
- Innerhalb der EU: Erleichterte Vollstreckung durch EU-Unterhaltsverordnung
- Außerhalb der EU: Anwendung internationaler Übereinkommen (z.B. Haager Unterhaltsübereinkommen)
- Einschaltung der zentralen Behörden zur Unterstützung
Selbständige Unterhaltspflichtige
Bei Selbständigen kann die Einkommensermittlung und Vollstreckung schwieriger sein:
- Schwankende Einkünfte
- Möglichkeiten der Einkommensgestaltung
- Ggf. Ansatz von fiktivem Einkommen bei bewusster Einkommensminderung
Insolvenz des Unterhaltspflichtigen
Im Falle einer Insolvenz des Unterhaltspflichtigen:
- Laufende Unterhaltsansprüche sind nicht von der Insolvenz betroffen
- Unterhaltsrückstände: bevorrechtigte Forderungen im Insolvenzverfahren
- Nach Abschluss des Insolvenzverfahrens bleiben Unterhaltsschulden bestehen (keine Restschuldbefreiung)
Proaktive Maßnahmen zur Sicherung des Unterhalts
Dynamischer Unterhaltstitel
Ein Titel mit Dynamisierungsklausel passt sich automatisch an:
- Prozentuale Bindung an Indizes (z.B. Verbraucherpreisindex)
- Bindung an die Düsseldorfer Tabelle bei Kindesunterhalt
- Reduziert die Notwendigkeit regelmäßiger Anpassungsklagen
Absicherung durch Bürgschaften oder Sicherheitsleistungen
Bei hohem Ausfallrisiko:
- Bankbürgschaft
- Hinterlegung einer Sicherheitsleistung
- Vereinbarung von Vertragsstrafen bei Nichtzahlung
Fazit: Unterhalt konsequent durchsetzen
Die Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen erfordert oft Beharrlichkeit und Kenntnis der rechtlichen Möglichkeiten. Bei Zahlungsverweigerung ist schnelles Handeln wichtig, um finanzielle Notlagen zu vermeiden. In komplexen Fällen empfiehlt sich die Unterstützung durch einen Fachanwalt für Familienrecht oder – bei Kindesunterhalt – die kostenlose Hilfe des Jugendamts.
Beachten Sie, dass unterhaltspflichtige Personen, die sich ihrer Verantwortung entziehen, mit erheblichen rechtlichen Konsequenzen rechnen müssen. Das deutsche Rechtssystem bietet verschiedene effektive Instrumente, um berechtigte Unterhaltsansprüche durchzusetzen.