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Unterhalt bei Arbeitslosigkeit: Rechte, Pflichten und Erwerbsobliegenheit - Unterhalt bei Arbeitslosigkeit erklärt: Erwerbsobliegenheit,

Unterhalt bei Arbeitslosigkeit: Rechte, Pflichten und Erwerbsobliegenheit

Unterhalt bei Arbeitslosigkeit ist ein häufiges Problem für Unterhaltspflichtige und Unterhaltsberechtigte gleichermaßen. Verliert der Unterhaltspflichtige seinen Job, stellt sich sofort die Frage: Muss er weiterhin den vollen Unterhalt zahlen? Welche Pflichten zur Arbeitssuche bestehen? Und was bedeutet "fiktives Einkommen"? Dieser Ratgeber erklärt alle wichtigen Aspekte zum Thema Unterhalt und Arbeitslosigkeit.

Was passiert mit dem Unterhalt bei Jobverlust?

Grundsätzlich gilt: Ein Jobverlust befreit nicht automatisch von der Unterhaltspflicht. Entscheidend ist, ob die Arbeitslosigkeit selbstverschuldet ist und wie sich der Unterhaltspflichtige um eine neue Stelle bemüht.

Erste Schritte bei Arbeitslosigkeit

Wenn Sie als Unterhaltspflichtiger arbeitslos werden:

  1. Arbeitslos melden: Sofort bei der Agentur für Arbeit
  2. Arbeitslosengeld beantragen: Sichert Ihr Einkommen
  3. Unterhaltsgläubiger informieren: Schriftlich über die Situation informieren
  4. Belege sammeln: Bewerbungen, Absagen, Arbeitssuchnachweis
  5. Anpassung beantragen: Bei dauerhafter Einkommensreduzierung

Wichtig: Informieren Sie den Unterhaltsberechtigten zeitnah über Ihre Situation. Schweigen wird negativ ausgelegt und kann als mangelnde Kooperationsbereitschaft gewertet werden.

Auswirkungen auf die Unterhaltshöhe

SituationAuswirkung auf Unterhalt
Selbstverschuldete ArbeitslosigkeitUnterhalt bleibt unverändert (fiktives Einkommen)
Unverschuldete ArbeitslosigkeitUnterhalt kann angepasst werden
Vorübergehende ArbeitslosigkeitMeist keine Anpassung
Dauerhafte ArbeitslosigkeitNeuberechnung erforderlich

Erwerbsobliegenheit: Die Pflicht zur Arbeit

Die Erwerbsobliegenheit ist das zentrale Thema bei Unterhalt und Arbeitslosigkeit. Sie beschreibt die Pflicht des Unterhaltspflichtigen, alles Zumutbare zu tun, um ein ausreichendes Einkommen zu erzielen.

Was bedeutet Erwerbsobliegenheit?

Die Erwerbsobliegenheit umfasst:

  • Aktive Arbeitssuche: Tägliche Bemühungen um eine neue Stelle
  • Bewerbungspflicht: 20-30 Bewerbungen pro Monat werden erwartet
  • Flexible Jobsuche: Auch unterhalb der bisherigen Qualifikation
  • Nebenjob-Pflicht: Bei Teilzeit oder geringem Einkommen
  • Weiterbildungsbereitschaft: Umschulungen, Qualifizierungen
  • Ortsflexibilität: Auch weiter entfernte Stellen in Betracht ziehen

Verschärfte Erwerbsobliegenheit bei Kindesunterhalt

Bei minderjährigen Kindern gilt eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit nach § 1603 Abs. 2 BGB:

Der Unterhaltspflichtige muss "alle verfügbaren Mittel zu seinem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig verwenden".

Das bedeutet:

  • Jede zumutbare Arbeit muss angenommen werden
  • Auch Arbeit unterhalb der Qualifikation
  • Nebenjobs zusätzlich zur Haupttätigkeit
  • Keine Berufung auf Arbeitslosigkeit bei mangelnder Bemühung

Dokumentation der Arbeitssuche

Führen Sie einen detaillierten Nachweis Ihrer Bemühungen:

DatumArt der BemühungUnternehmenErgebnis
01.01.2026Online-BewerbungFirma A GmbHAbsage 05.01.
03.01.2026InitiativbewerbungFirma B AGEinladung
05.01.2026StellenanzeigeAgentur für ArbeitBewerbung läuft

Diese Dokumentation ist entscheidend, wenn der Unterhaltsberechtigte ein fiktives Einkommen geltend macht.

Fiktives Einkommen: Was ist das?

Wenn der Unterhaltspflichtige seiner Erwerbsobliegenheit nicht ausreichend nachkommt, kann ihm ein fiktives Einkommen zugerechnet werden.

Definition fiktives Einkommen

Fiktives Einkommen ist das Einkommen, das der Unterhaltspflichtige erzielen könnte, wenn er sich ausreichend um Arbeit bemühen würde. Es wird für die Unterhaltsberechnung zugrunde gelegt, auch wenn der Pflichtige tatsächlich weniger oder gar nichts verdient.

Wann wird fiktives Einkommen angerechnet?

SituationFiktives Einkommen?
Kündigung durch Arbeitnehmer ohne wichtigen GrundJa
Kündigung wegen FehlverhaltenJa
Unzureichende BewerbungsbemühungenJa
Grundlose Ablehnung von JobangebotenJa
Betriebsbedingte KündigungNein
Krankheitsbedingte ArbeitsunfähigkeitNein
Insolvenz des ArbeitgebersNein

Höhe des fiktiven Einkommens

Das fiktive Einkommen orientiert sich an:

  • Letztem erzielten Einkommen
  • Berufserfahrung und Qualifikation
  • Regionalen Verdienstmöglichkeiten
  • Branchenüblichen Gehältern
  • Mindestlohn als Untergrenze (12,82 €/Stunde, Stand 2025)

Berechnungsbeispiel Mindestlohn:

  • Vollzeit (40 Stunden/Woche): 12,82 € × 173,33 Stunden = 2.222 € brutto
  • Abzüglich Steuern und Sozialabgaben: ca. 1.550-1.650 € netto

Beweislast

Die Beweislast liegt beim Unterhaltspflichtigen:

  • Er muss nachweisen, dass er sich ausreichend bemüht hat
  • Mindestens 20-30 Bewerbungen pro Monat
  • Dokumentation aller Bewerbungen und Absagen
  • Nachweis über Meldung bei der Agentur für Arbeit

Arbeitslosengeld und Unterhalt

Arbeitslosengeld I (ALG I)

Arbeitslosengeld I ist unterhaltsrelevantes Einkommen:

  • Wird bei der Unterhaltsberechnung berücksichtigt
  • Beträgt 60% (bzw. 67% mit Kind) des letzten Nettoeinkommens
  • Ist zeitlich befristet (i.d.R. 12 Monate)

Berechnung bei ALG I:

Einkommen vorherALG I (60%)SelbstbehaltVerfügbar für Unterhalt
2.500 € netto1.500 €1.200 €300 €
3.000 € netto1.800 €1.200 €600 €
3.500 € netto2.100 €1.200 €900 €

Bürgergeld und Unterhalt

Bei Bezug von Bürgergeld (früher Hartz IV/ALG II):

  • Unterhaltspflicht besteht theoretisch weiter
  • Praktisch: Einkommen liegt unter dem Selbstbehalt
  • Fiktives Einkommen kann trotzdem angerechnet werden
  • Erwerbsobliegenheit gilt auch bei Bürgergeld

Hinweis: Auch Bürgergeld-Empfänger unterliegen der Erwerbsobliegenheit. Mangelnde Bemühungen können zur Anrechnung eines fiktiven Einkommens führen.

Unterhaltsanpassung bei Arbeitslosigkeit

Wann ist eine Anpassung möglich?

Eine Unterhaltsanpassung ist möglich bei:

  • Dauerhafter (nicht nur vorübergehender) Einkommensreduzierung
  • Unverschuldeter Arbeitslosigkeit
  • Nachweislich ausreichender Bemühung um neue Arbeit
  • Wesentlicher Änderung der Verhältnisse

Ablauf der Unterhaltsanpassung

Schritt 1: Außergerichtliche Einigung

  1. Unterhaltsberechtigten schriftlich informieren
  2. Neue Unterhaltsberechnung vorlegen
  3. Einvernehmliche Anpassung vereinbaren
  4. Schriftlich dokumentieren

Schritt 2: Gerichtliche Abänderung (falls nötig)

  1. Abänderungsantrag beim Familiengericht stellen
  2. Nachweis der geänderten Verhältnisse
  3. Gerichtliche Neuberechnung
  4. Neuer Unterhaltstitel

Rückwirkende Abänderung

Eine rückwirkende Abänderung ist nur möglich:

  • Ab Rechtshängigkeit des Abänderungsantrags
  • Bei vorheriger schriftlicher Aufforderung zur Auskunft/Zustimmung
  • Nicht rückwirkend auf bereits gezahlten Unterhalt

Mangelfall bei Arbeitslosigkeit

Wann liegt ein Mangelfall vor?

Ein Mangelfall liegt vor, wenn das Einkommen nicht ausreicht, um:

  • Den eigenen Selbstbehalt (1.200 € bei Erwerbstätigen, 1.120 € bei Nichterwerbstätigen)
  • Und den Mindestunterhalt aller Berechtigten zu decken

Mindestunterhalt 2026

AltersstufeMindestunterhaltZahlbetrag (nach Kindergeldabzug)
0-5 Jahre486 €356,50 €
6-11 Jahre558 €428,50 €
12-17 Jahre653 €523,50 €

Berechnung im Mangelfall

Beispiel:

  • Unterhaltspflichtiger: arbeitslos, ALG I 1.400 €
  • Zwei Kinder: 7 Jahre und 14 Jahre
  • Selbstbehalt: 1.200 €

Berechnung:

  1. Verfügbar für Unterhalt: 1.400 € - 1.200 € = 200 €
  2. Bedarf Kind 1 (7 Jahre): 428,50 €
  3. Bedarf Kind 2 (14 Jahre): 523,50 €
  4. Gesamtbedarf: 952 €
  5. Quote: 200 € ÷ 952 € = 21%
  6. Zahlung Kind 1: 428,50 € × 21% = 90 €
  7. Zahlung Kind 2: 523,50 € × 21% = 110 €

Tipps für Unterhaltspflichtige

  1. Sofort melden: Informieren Sie den Unterhaltsberechtigten und die Agentur für Arbeit
  2. Alles dokumentieren: Bewerbungen, Absagen, Behördenkontakte
  3. Aktiv bewerben: Mindestens 20-30 Bewerbungen pro Monat
  4. Flexibel sein: Auch unterhalb der Qualifikation, auch Nebenjobs
  5. Anpassung beantragen: Bei dauerhafter Einkommensreduzierung schriftlich
  6. Kommunikation: Offener Dialog mit dem Unterhaltsberechtigten

Tipps für Unterhaltsberechtigte

  1. Unterhaltsvorschuss beantragen: Bei Zahlungsausfall oder -reduzierung
  2. Belege anfordern: Arbeitslosenmeldung, Bewerbungsnachweise
  3. Erwerbsobliegenheit prüfen: Werden ausreichend Bemühungen unternommen?
  4. Fiktives Einkommen geltend machen: Bei mangelnder Bemühung
  5. Rechtliche Beratung: Bei Streit über die Höhe des Unterhalts

Häufige Fragen

Muss ich bei Arbeitslosigkeit weiterhin Unterhalt zahlen?

Ja, grundsätzlich bleibt die Unterhaltspflicht bestehen. Bei unverschuldeter Arbeitslosigkeit kann der Unterhalt jedoch angepasst werden, wenn das Einkommen dauerhaft sinkt. Bei selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit oder mangelnden Bemühungen um eine neue Stelle wird Ihnen ein fiktives Einkommen zugerechnet, und der Unterhalt bleibt unverändert.

Wie viele Bewerbungen muss ich bei Arbeitslosigkeit schreiben?

Die Rechtsprechung verlangt in der Regel 20-30 Bewerbungen pro Monat. Diese müssen dokumentiert werden (Datum, Unternehmen, Position, Ergebnis). Bei der gesteigerten Erwerbsobliegenheit für Kindesunterhalt können auch mehr Bewerbungen erwartet werden. Qualitative Bewerbungen sind wichtiger als die reine Anzahl.

Kann mir ein fiktives Einkommen zugerechnet werden?

Ja, wenn Sie Ihrer Erwerbsobliegenheit nicht nachkommen. Ein fiktives Einkommen wird angerechnet, wenn Sie sich nicht ausreichend um Arbeit bemühen, Jobangebote ohne triftigen Grund ablehnen oder selbstverschuldet arbeitslos werden. Die Höhe orientiert sich an Ihrem letzten Einkommen oder am Mindestlohn.

Wie lange kann ich mich auf Arbeitslosigkeit berufen?

Eine vorübergehende Arbeitslosigkeit von 3-6 Monaten wird meist toleriert, wenn Sie sich aktiv um Arbeit bemühen. Bei längerer Arbeitslosigkeit müssen Sie nachweisen, dass Sie alles Zumutbare tun, um wieder Einkommen zu erzielen. Auch Arbeit unterhalb Ihrer Qualifikation oder Nebenjobs können erforderlich sein.

Was passiert, wenn mein Einkommen unter den Selbstbehalt fällt?

Liegt Ihr Einkommen unter dem Selbstbehalt (1.200 € bei Erwerbstätigen, 1.120 € bei Nichterwerbstätigen), müssen Sie keinen Unterhalt zahlen – vorausgesetzt, Sie haben keine zusätzlichen Erwerbsmöglichkeiten. Bei Kindesunterhalt wird jedoch geprüft, ob ein fiktives Einkommen zugerechnet werden kann.

Fazit

Arbeitslosigkeit befreit nicht automatisch von der Unterhaltspflicht. Entscheidend ist, ob Sie alles Zumutbare tun, um wieder Einkommen zu erzielen. Bei unverschuldeter Arbeitslosigkeit und aktiven Bemühungen kann der Unterhalt angepasst werden. Bei mangelnden Bemühungen droht die Anrechnung eines fiktiven Einkommens. Dokumentieren Sie Ihre Arbeitssuche sorgfältig und kommunizieren Sie offen mit dem Unterhaltsberechtigten.

Weiterführende Informationen

Für vertiefende Informationen empfehlen wir Ihnen folgende Artikel:

Nutzen Sie auch unseren Unterhaltsrechner zur Berechnung Ihres aktuellen Unterhalts.

Quellen

Die Informationen basieren auf folgenden offiziellen Quellen:

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): § 1603 (Leistungsfähigkeit), § 1605 (Auskunftspflicht)
  • Oberlandesgericht Düsseldorf: Düsseldorfer Tabelle und Leitlinien
  • Bundesgerichtshof: Rechtsprechung zur Erwerbsobliegenheit
  • Bundesagentur für Arbeit: Arbeitslosengeld

Hinweis: Alle Angaben ohne Gewähr. Stand: Dezember 2025


Rechtlicher Hinweis: Die Informationen in diesem Ratgeber ersetzen keine professionelle Rechtsberatung. Bei komplexen rechtlichen Fragen empfehlen wir, einen Fachanwalt für Familienrecht zu konsultieren.