
Auskunftspflicht Unterhalt: Was muss offengelegt werden?
Die Auskunftspflicht im Unterhaltsrecht ist ein zentrales Instrument zur Berechnung des korrekten Unterhalts. Wer Unterhalt fordert oder zahlen soll, muss seine wirtschaftlichen Verhältnisse offenlegen. Doch was genau muss offengelegt werden? Welche Fristen gelten? Und was passiert bei Verweigerung oder falschen Angaben? Dieser umfassende Ratgeber erklärt alle Aspekte der Auskunftspflicht nach § 1605 BGB.
Rechtsgrundlage: § 1605 BGB
Die Auskunftspflicht im Unterhaltsrecht ist in § 1605 BGB geregelt:
"(1) Verwandte in gerader Linie sind einander verpflichtet, auf Verlangen über ihre Einkünfte und ihr Vermögen Auskunft zu erteilen, soweit dies zur Feststellung eines Unterhaltsanspruchs oder einer Unterhaltsverpflichtung erforderlich ist. [...]"
Die Auskunftspflicht dient dazu:
- Die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen zu ermitteln
- Die Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten zu prüfen
- Den korrekten Unterhaltsbetrag zu berechnen
Wer hat Auskunftsanspruch?
Berechtigte Personen
Der Auskunftsanspruch besteht zwischen:
| Verhältnis | Auskunftsanspruch |
|---|---|
| Eltern ↔ Kinder | Gegenseitig (Kindesunterhalt, Elternunterhalt) |
| Getrennte Ehepartner | Gegenseitig (Trennungsunterhalt) |
| Geschiedene Ehepartner | Gegenseitig (Nachehelicher Unterhalt) |
| Unverheiratete Eltern | Gegenseitig (Betreuungsunterhalt) |
| Großeltern ↔ Enkel | Gegenseitig (subsidiärer Unterhalt) |
Auskunftspflicht des Unterhaltspflichtigen
Der Unterhaltspflichtige muss Auskunft erteilen über:
- Sein gesamtes Einkommen aus allen Quellen
- Sein Vermögen (soweit relevant)
- Berufliche Entwicklungen und Einkommensaussichten
Auskunftspflicht des Unterhaltsberechtigten
Auch der Unterhaltsberechtigte muss Auskunft erteilen:
- Über eigenes Einkommen und Vermögen
- Zur Prüfung der Bedürftigkeit
- Bei Ehegattenunterhalt: Zur Berechnung der Differenz
Umfang der Auskunftspflicht
Welche Einkünfte müssen offengelegt werden?
Die Auskunftspflicht umfasst alle Einkünfte:
Arbeitseinkommen:
- Bruttogehalt und Nettogehalt
- Überstundenvergütung
- Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld
- Provisionen, Boni, Tantiemen
- Sachleistungen (Dienstwagen, Wohnung)
- Abfindungen
Selbständige Einkünfte:
- Gewinn aus Gewerbebetrieb
- Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit
- Einnahmen-Überschuss-Rechnung oder Bilanz
- Betriebsausgaben
Weitere Einkünfte:
- Mieteinnahmen
- Kapitaleinkünfte (Zinsen, Dividenden)
- Renten und Pensionen
- Arbeitslosengeld, Krankengeld
- Unterhalt von Dritten
- Steuererstattungen
Welche Belege müssen vorgelegt werden?
Die Auskunft muss durch Belege untermauert werden (§ 1605 Abs. 1 Satz 2 BGB):
Für Arbeitnehmer:
- Gehaltsabrechnungen der letzten 12 Monate
- Steuerbescheid der letzten 2-3 Jahre
- Lohnsteuerbescheinigung
- Arbeitsvertrag (bei Neuanstellung)
- Nachweis über Sonderzahlungen
Für Selbständige:
- Einnahmen-Überschuss-Rechnung oder Bilanz (3 Jahre)
- Steuerbescheide (3 Jahre)
- Betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA)
- Kontoauszüge der Geschäftskonten
- Verträge über wesentliche Geschäftsbeziehungen
Für Vermögen:
- Kontoauszüge (Stichtag)
- Depotauszüge
- Grundbuchauszüge
- Fahrzeugbriefe
- Versicherungspolicen (Lebensversicherung, Altersvorsorge)
Vermögensauskunft
Bei bestimmten Unterhaltsarten ist auch das Vermögen relevant:
| Unterhaltsart | Vermögen relevant? |
|---|---|
| Kindesunterhalt (minderjährig) | Nur bei Sonderbedarf |
| Kindesunterhalt (volljährig) | Ja |
| Ehegattenunterhalt | Ja |
| Elternunterhalt | Ja (Schonvermögen beachten) |
Form und Frist der Auskunft
Formvorschriften
Die Auskunft muss:
- Schriftlich erfolgen (mündlich genügt nicht)
- Vollständig sein (alle Einkünfte und Vermögenswerte)
- Systematisch geordnet sein
- Mit Belegen untermauert werden
Fristen
Für die Auskunftserteilung gibt es keine gesetzliche Frist. Die Rechtsprechung setzt jedoch angemessene Fristen:
- Arbeitnehmer: 2-4 Wochen
- Selbständige: 4-8 Wochen (wegen umfangreicherer Unterlagen)
- Bei komplexen Verhältnissen: Bis zu 3 Monate
Tipp: Setzen Sie in Ihrer Auskunftsaufforderung eine konkrete Frist (z.B. 4 Wochen) und weisen Sie auf die Möglichkeit einer Stufenklage hin.
Regelmäßige Auskunft
Die Auskunft kann alle 2 Jahre verlangt werden, es sei denn:
- Es bestehen Anhaltspunkte für wesentliche Änderungen
- Die letzte Auskunft war unvollständig oder falsch
Auskunftsaufforderung: Muster
Muster für Auskunftsaufforderung
Betreff: Aufforderung zur Auskunft nach § 1605 BGB
Sehr geehrte(r) [Name],
zur Berechnung des Kindesunterhalts für [Kindername] fordere ich Sie
auf, mir binnen 4 Wochen ab Zugang dieses Schreibens vollständig
Auskunft über Ihre Einkünfte und Ihr Vermögen zu erteilen.
Die Auskunft muss umfassen:
1. Sämtliche Einkünfte aus nichtselbständiger und selbständiger Arbeit
2. Einkünfte aus Vermietung, Kapitalvermögen und sonstige Einkünfte
3. Ihr Vermögen (Immobilien, Bankguthaben, Wertpapiere, Fahrzeuge)
Bitte fügen Sie folgende Belege bei:
- Gehaltsabrechnungen der letzten 12 Monate
- Steuerbescheide der letzten 2 Jahre
- Aktuelle Kontoauszüge (Stichtag: [Datum])
Sollten Sie der Aufforderung nicht fristgerecht nachkommen, werde ich
eine Stufenklage beim Familiengericht einreichen.
Mit freundlichen Grüßen
[Unterschrift]
Konsequenzen bei Auskunftsverweigerung
Gerichtliche Durchsetzung
Verweigert der Pflichtige die Auskunft, können Sie:
- Stufenklage einreichen: Erst Auskunft, dann Zahlung
- Zwangsgeld androhen: Bis zu 25.000 €
- Zwangshaft beantragen: Bis zu 6 Monate
- Fiktives Einkommen schätzen: Bei hartnäckiger Verweigerung
Fiktives Einkommen bei Auskunftsverweigerung
Bei Auskunftsverweigerung kann das Gericht ein Einkommen schätzen:
- Orientierung am letzten bekannten Einkommen
- Branchenübliche Vergütung
- Qualifikation und Berufserfahrung
- Im Zweifel zu Lasten des Verweigerers
Achtung: Die Schätzung fällt oft höher aus als das tatsächliche Einkommen. Es ist daher ratsam, vollständige Auskunft zu erteilen.
Strafbarkeit falscher Angaben
Falsche Angaben in der Unterhaltsauskunft können strafbar sein:
| Straftat | Gesetz | Strafe |
|---|---|---|
| Betrug (durch Unterhaltspflichtigen) | § 263 StGB | Bis 5 Jahre Freiheitsstrafe |
| Falsche Versicherung an Eides statt | § 156 StGB | Bis 3 Jahre Freiheitsstrafe |
| Prozessbetrug | § 263 StGB | Bis 5 Jahre Freiheitsstrafe |
Besonderheiten bei Selbständigen
Erweiterte Auskunftspflicht
Bei Selbständigen ist die Auskunftspflicht umfangreicher:
Vorzulegende Unterlagen:
- Steuererklärungen und -bescheide (mindestens 3 Jahre)
- Jahresabschlüsse oder EÜR (mindestens 3 Jahre)
- Betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA)
- Gesellschaftsverträge
- Kontoauszüge der Geschäftskonten
- Nachweis über Privatentnahmen
Einkommensermittlung bei Selbständigen
Das Einkommen wird aus dem Durchschnitt der letzten 3 Jahre ermittelt:
| Jahr | Gewinn |
|---|---|
| 2023 | 48.000 € |
| 2024 | 52.000 € |
| 2025 | 56.000 € |
| Durchschnitt | 52.000 € |
Bei stark schwankenden Einkommen kann auch ein anderer Zeitraum herangezogen werden.
Abgrenzung privat/geschäftlich
Selbständige müssen klar trennen zwischen:
- Betriebsausgaben (mindern den Gewinn)
- Privatentnahmen (sind unterhaltsrelevant)
- Rücklagen (können unterhaltsrelevant sein)
Hinweis: Überhöhte Betriebsausgaben oder unangemessene Rücklagen werden korrigiert und erhöhen das unterhaltsrelevante Einkommen.
Auskunft über Dritte
Auskunft beim Arbeitgeber
In Ausnahmefällen kann Auskunft direkt beim Arbeitgeber verlangt werden:
- Wenn der Unterhaltspflichtige keine Auskunft erteilt
- Nur über Tatsachen (Beschäftigungsverhältnis, Bruttoeinkommen)
- Nicht über interne Bewertungen
Auskunft bei Behörden
Jugendamt und Gericht können Auskünfte einholen bei:
- Finanzamt (Steuerdaten)
- Rentenversicherung
- Krankenkasse
- Arbeitsagentur
Praxisbeispiel: Auskunftsverfahren
Ausgangssituation
Situation:
- Mutter fordert Kindesunterhalt für 10-jähriges Kind
- Vater ist selbständiger Handwerker
- Vater verweigert Auskunft über Einkommen
Ablauf
Schritt 1: Außergerichtliche Aufforderung
- Schriftliche Aufforderung zur Auskunft mit 4-Wochen-Frist
- Vater reagiert nicht
Schritt 2: Stufenklage
- Mutter reicht Stufenklage beim Familiengericht ein
- Stufe 1: Antrag auf Auskunft
- Stufe 2: Antrag auf eidesstattliche Versicherung
- Stufe 3: Antrag auf Unterhalt (noch nicht beziffert)
Schritt 3: Gerichtliche Auskunft
- Gericht ordnet Auskunft binnen 6 Wochen an
- Zwangsgeld von 2.500 € bei Nichtbefolgung angedroht
Schritt 4: Auskunft und Bezifferung
- Vater erteilt Auskunft (durchschnittlicher Gewinn: 54.000 €/Jahr)
- Mutter beziffert Unterhalt auf 540 €/Monat
Schritt 5: Urteil
- Gericht verurteilt Vater zur Zahlung von 540 €/Monat
- Kosten des Verfahrens trägt der Vater
Tipps für die Auskunftserteilung
Für Auskunftspflichtige
- Vollständig sein: Lieber zu viel als zu wenig angeben
- Systematisch gliedern: Übersichtliche Aufstellung
- Belege beifügen: Alle relevanten Unterlagen kopieren
- Frist einhalten: Bei Problemen Fristverlängerung beantragen
- Rechtsberatung: Bei komplexen Fällen Anwalt konsultieren
Für Auskunftsberechtigte
- Konkret auffordern: Genau benennen, welche Unterlagen gewünscht sind
- Frist setzen: Angemessene, aber bestimmte Frist
- Nachfragen: Bei unvollständiger Auskunft nachfordern
- Dokumentieren: Alle Korrespondenz aufbewahren
- Stufenklage: Bei Verweigerung konsequent handeln
Häufige Fragen
Wie oft muss ich Auskunft erteilen?
Die Auskunftspflicht besteht alle 2 Jahre (§ 1605 Abs. 2 BGB). Bei wesentlichen Änderungen der Einkommensverhältnisse kann auch früher eine erneute Auskunft verlangt werden. Außerdem besteht bei laufenden gerichtlichen Verfahren eine fortlaufende Aktualisierungspflicht.
Welche Belege muss ich genau vorlegen?
Als Arbeitnehmer müssen Sie Gehaltsabrechnungen der letzten 12 Monate und Steuerbescheide der letzten 2-3 Jahre vorlegen. Selbständige müssen Steuerbescheide, Bilanzen oder EÜR der letzten 3 Jahre sowie aktuelle BWAs vorlegen. Bei Vermögen sind Kontoauszüge, Depotauszüge und Grundbuchauszüge erforderlich.
Was passiert, wenn ich die Auskunft verweigere?
Bei Auskunftsverweigerung kann der Berechtigte eine Stufenklage einreichen. Das Gericht kann Zwangsgelder bis zu 25.000 € und Zwangshaft bis zu 6 Monaten anordnen. Außerdem kann das Gericht Ihr Einkommen schätzen – meist zu Ihren Ungunsten. Hartnäckige Verweigerung kann auch strafrechtliche Konsequenzen haben.
Muss ich auch über Vermögen Auskunft geben?
Bei Kindesunterhalt für minderjährige Kinder ist das Vermögen nur relevant, wenn Sonderbedarf geltend gemacht wird oder der Pflichtige seine Leistungsunfähigkeit behauptet. Bei Ehegattenunterhalt, Elternunterhalt und Volljährigenunterhalt ist das Vermögen regelmäßig relevant und muss offengelegt werden.
Kann ich Teile der Auskunft verweigern?
Nein, die Auskunft muss vollständig sein. Sie können jedoch verlangen, dass bestimmte sensible Informationen vertraulich behandelt werden. Das Gericht kann anordnen, dass Belege nur dem Gericht und nicht der Gegenseite vorgelegt werden. Grundsätzlich gilt: Alles, was für die Unterhaltsberechnung relevant ist, muss offengelegt werden.
Fazit
Die Auskunftspflicht nach § 1605 BGB ist ein wichtiges Instrument zur Feststellung der korrekten Unterhaltshöhe. Sowohl Unterhaltspflichtige als auch Unterhaltsberechtigte sind zur vollständigen und belegten Auskunft verpflichtet. Eine Verweigerung kann durch Stufenklage, Zwangsgeld und letztlich Schätzung zu Lasten des Verweigerers durchgesetzt werden. Die Auskunft sollte daher vollständig, systematisch und mit Belegen versehen erteilt werden.
Weiterführende Informationen
Für vertiefende Informationen empfehlen wir Ihnen folgende Artikel:
- Unterhalt einklagen: Vollständiger Leitfaden
- Bereinigtes Nettoeinkommen berechnen
- Kindesunterhalt bei Selbständigkeit
- Düsseldorfer Tabelle 2026
- Unterhalt bei Arbeitslosigkeit
Nutzen Sie auch unseren Unterhaltsrechner zur Berechnung Ihres Unterhaltsanspruchs.
Quellen
Die Informationen basieren auf folgenden offiziellen Quellen:
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): § 1605 Auskunftspflicht
- Oberlandesgericht Düsseldorf: Leitlinien zum Unterhaltsrecht
- Bundesgerichtshof: Rechtsprechung zur Auskunftspflicht
- Zivilprozessordnung (ZPO): § 254 (Stufenklage)
Hinweis: Alle Angaben ohne Gewähr. Stand: Dezember 2025
Rechtlicher Hinweis: Die Informationen in diesem Ratgeber ersetzen keine professionelle Rechtsberatung. Bei komplexen rechtlichen Fragen empfehlen wir, einen Fachanwalt für Familienrecht zu konsultieren.