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Unterhalt nicht gezahlt: Konsequenzen, Pfändung und Strafbarkeit - Was tun wenn Unterhalt nicht gezahlt wird? Lohnpfändung, Str

Unterhalt nicht gezahlt: Konsequenzen, Pfändung und Strafbarkeit

Wenn Unterhalt nicht gezahlt wird, stehen viele Alleinerziehende vor einer schwierigen Situation. Der ausbleibende Kindesunterhalt kann schnell zu finanziellen Engpässen führen. Doch Sie stehen nicht hilflos da: Von der Lohnpfändung über den Unterhaltsvorschuss bis hin zur Strafanzeige gibt es wirksame Mittel, um Ihre Ansprüche durchzusetzen. Dieser Ratgeber erklärt alle Konsequenzen für den Unterhaltspflichtigen und zeigt Ihnen Ihre Handlungsoptionen.

Erste Schritte bei Nichtzahlung

Wenn der Unterhalt ausbleibt, sollten Sie schnell handeln:

Sofortmaßnahmen

  1. Zahlungserinnerung senden: Schriftlich mit Fristsetzung (7-14 Tage)
  2. Grund klären: Gibt es einen nachvollziehbaren Grund (Krankheit, Jobverlust)?
  3. Belege sichern: Kontoauszüge, Überweisungshistorie dokumentieren
  4. Unterhaltstitel prüfen: Haben Sie einen vollstreckbaren Titel?
  5. Unterhaltsvorschuss beantragen: Überbrückung während der Durchsetzung

Wichtig: Warten Sie nicht zu lange. Unterhaltsrückstände verjähren nach 3 Jahren. Je früher Sie handeln, desto besser stehen Ihre Chancen.

Mahnung mit Fristsetzung

Eine schriftliche Mahnung ist der erste formale Schritt:

Betreff: Mahnung – Unterhaltsrückstand

Sehr geehrte(r) [Name],

der Unterhalt für [Kind] in Höhe von [Betrag] € für [Monat/Jahr]
ist bis heute nicht auf meinem Konto eingegangen.

Ich fordere Sie auf, den rückständigen Betrag bis zum [Datum + 14 Tage]
auf folgendes Konto zu überweisen: [Kontodaten]

Sollte die Zahlung nicht fristgerecht erfolgen, werde ich rechtliche
Schritte einleiten, insbesondere die Zwangsvollstreckung aus dem
bestehenden Unterhaltstitel.

Mit freundlichen Grüßen
[Unterschrift]

Vollstreckung aus dem Unterhaltstitel

Wenn Sie einen vollstreckbaren Unterhaltstitel haben (Urteil, Jugendamtsurkunde, notarielle Urkunde), können Sie sofort vollstrecken:

Voraussetzungen für die Vollstreckung

  • Vollstreckbarer Titel: Urteil, Beschluss, Jugendamtsurkunde, notarielle Urkunde
  • Vollstreckungsklausel: Bei gerichtlichen Titeln erforderlich
  • Fälligkeit: Der Unterhalt muss fällig sein
  • Zustellung: Der Titel muss dem Schuldner zugestellt sein

Arten der Zwangsvollstreckung

VollstreckungsartBeschreibungKosten
LohnpfändungArbeitgeber zahlt direkt an Sieca. 30-50 €
KontopfändungZugriff auf Bankguthabenca. 30-50 €
SachpfändungGerichtsvollzieher pfändet Gegenständeca. 50-150 €
TaschenpfandrechtBei SelbständigenVariabel

Lohnpfändung: Der effektivste Weg

Die Lohnpfändung ist die wirksamste Vollstreckungsmaßnahme bei Unterhalt:

Ablauf:

  1. Antrag auf Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beim Amtsgericht
  2. Zustellung an den Arbeitgeber des Unterhaltspflichtigen
  3. Arbeitgeber muss pfändbaren Teil des Lohns direkt an Sie überweisen
  4. Monatliche Zahlungen solange das Arbeitsverhältnis besteht

Vorteile der Lohnpfändung:

  • Regelmäßige monatliche Zahlungen
  • Arbeitgeber ist zur Abführung verpflichtet
  • Geringer Aufwand nach Einrichtung
  • Auch für künftige Unterhaltsansprüche wirksam

Pfändungsfreigrenzen beim Unterhalt

Für Unterhaltsschulden gelten besondere Pfändungsgrenzen:

SituationReguläre PfändungsfreigrenzeBei Unterhaltsschulden
Alleinstehend1.491,75 €Bis zum Selbstbehalt (1.200 €)
Mit 1 unterhaltsberechtigter Person2.059,99 €Reduziert sich entsprechend

Vorteil für Unterhaltsgläubiger: Bei Kindesunterhalt gilt der privilegierte Unterhaltsrang. Der Schuldner behält nur den notwendigen Selbstbehalt von 1.200 € (Stand 2025).

Kontopfändung

Wenn keine Lohnpfändung möglich ist (Selbständige, Arbeitslose), können Sie das Konto pfänden:

  • Erfasst alle Kontoguthaben über dem Pfändungsschutzkonto-Freibetrag
  • P-Konto-Schutz: 1.500 € monatlich (Stand 2025)
  • Unterhaltsberechtigte können erweiterte Pfändung beantragen

Strafbarkeit: Verletzung der Unterhaltspflicht (§ 170 StGB)

Wer sich der Unterhaltspflicht entzieht, macht sich strafbar:

§ 170 StGB – Verletzung der Unterhaltspflicht

"Wer sich einer gesetzlichen Unterhaltspflicht entzieht, so dass der Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten gefährdet ist oder ohne die Hilfe anderer gefährdet wäre, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."

Voraussetzungen der Strafbarkeit

  1. Gesetzliche Unterhaltspflicht: Kindesunterhalt, Ehegattenunterhalt, Elternunterhalt
  2. Entziehung: Vorsätzliche Nichtzahlung trotz Leistungsfähigkeit
  3. Gefährdung des Lebensbedarfs: Der Berechtigte kann seinen Lebensbedarf nicht decken
  4. Vorsatz: Der Pflichtige weiß, dass er zahlen müsste und könnte

Strafmaß

VerstoßMögliche Strafe
ErstverstoßGeldstrafe oder Freiheitsstrafe bis 1 Jahr
WiederholungsfallFreiheitsstrafe bis 3 Jahre
Besonders schwere FälleFreiheitsstrafe 1-3 Jahre

Strafanzeige erstatten

Sie können bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft Strafanzeige erstatten:

Erforderliche Angaben:

  • Personalien des Unterhaltspflichtigen
  • Unterhaltstitel (Kopie)
  • Nachweis über ausbleibende Zahlungen
  • Eigene finanzielle Situation (Gefährdung des Lebensbedarfs)

Hinweis: Die Strafanzeige ersetzt nicht die zivilrechtliche Durchsetzung. Sie ist ein zusätzliches Druckmittel, führt aber nicht zur Zahlung des Unterhalts.

Wann ist eine Strafanzeige sinnvoll?

Eine Strafanzeige ist insbesondere sinnvoll, wenn:

  • Der Pflichtige trotz Leistungsfähigkeit dauerhaft nicht zahlt
  • Andere Maßnahmen erfolglos waren
  • Der Pflichtige sein Vermögen verschleiert oder beiseiteschafft
  • Abschreckungswirkung für künftige Zahlungen erwünscht ist

Unterhaltsvorschuss als Überbrückung

Der Unterhaltsvorschuss sichert Ihren Lebensunterhalt während der Durchsetzung:

Höhe des Unterhaltsvorschusses 2026

AltersgruppeMindestunterhalt 2026Abzüglich KindergeldUnterhaltsvorschuss
0-5 Jahre486 €259 €227 €
6-11 Jahre558 €259 €299 €
12-17 Jahre653 €259 €394 €

Voraussetzungen

  • Kind unter 18 Jahren
  • Kind lebt bei einem alleinerziehenden Elternteil in Deutschland
  • Anderer Elternteil zahlt keinen oder zu wenig Unterhalt
  • Keine Wiederheirat oder eheähnliche Gemeinschaft

Antragstellung

Der Antrag wird beim Jugendamt gestellt:

  • Formular "Antrag auf Unterhaltsvorschuss"
  • Geburtsurkunde des Kindes
  • Nachweis über Alleinerziehenden-Status
  • Unterhaltstitel (falls vorhanden)
  • Nachweise über bisherige Unterhaltszahlungen

Wichtig: Das Jugendamt fordert den Unterhaltsvorschuss vom Unterhaltspflichtigen zurück. Sie müssen bei der Ermittlung mitwirken.

Weitere Konsequenzen für den Unterhaltspflichtigen

Eintrag im Schuldnerverzeichnis

Bei fruchtloser Pfändung wird der Unterhaltspflichtige im Schuldnerverzeichnis eingetragen:

  • Eintrag für 3 Jahre
  • Einsehbar für jedermann
  • Beeinträchtigt Kreditwürdigkeit
  • Kann berufliche Konsequenzen haben

SCHUFA-Eintrag

  • Unterhaltsschulden können zu SCHUFA-Einträgen führen
  • Negative Auswirkung auf Score
  • Probleme bei Kreditvergabe, Mietverträgen, Handy-Verträgen

Vermögensauskunft (eidesstattliche Versicherung)

Bei fruchtloser Pfändung kann eine Vermögensauskunft verlangt werden:

  • Offenlegung aller Vermögenswerte
  • Eidesstattliche Versicherung der Vollständigkeit
  • Falsche Angaben sind strafbar (§ 156 StGB)
  • Gültigkeit: 2 Jahre

Erzwingungshaft

Als letztes Mittel kann Erzwingungshaft angeordnet werden:

  • Maximal 6 Monate
  • Soll zur Abgabe der Vermögensauskunft zwingen
  • Keine Strafhaft, sondern Zwangsmittel
  • Endet bei Zahlung oder Abgabe der Auskunft

Praxisbeispiel: Durchsetzung von Unterhaltsrückständen

Ausgangssituation

Situation:

  • Alleinerziehende Mutter mit 8-jährigem Kind
  • Unterhaltstitel über 450 € monatlich (Jugendamtsurkunde)
  • Vater zahlt seit 4 Monaten nicht
  • Unterhaltsrückstand: 1.800 €
  • Vater arbeitet als Angestellter (bekannter Arbeitgeber)

Durchsetzungsstrategie

Schritt 1: Sofortmaßnahmen

  • Unterhaltsvorschuss beantragen: 299 €/Monat
  • Schriftliche Mahnung mit 14-Tages-Frist senden

Schritt 2: Lohnpfändung einleiten

  • Antrag auf Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beim Amtsgericht
  • Kosten: ca. 35 €
  • Bearbeitungszeit: 1-2 Wochen

Schritt 3: Vollstreckung

  • Zustellung an Arbeitgeber
  • Monatliche Direktzahlung des pfändbaren Betrags
  • Rückstände werden über erhöhte Pfändung abgetragen

Ergebnis:

  • Laufender Unterhalt gesichert durch Lohnpfändung
  • Unterhaltsvorschuss entfällt nach Wiederaufnahme der Zahlungen
  • Rückstand wird innerhalb von 6-12 Monaten abgetragen

Tipps für Unterhaltsberechtigte

  1. Schnell handeln: Je länger Sie warten, desto höher der Rückstand
  2. Unterhaltsvorschuss nutzen: Überbrückt die Zeit bis zur Durchsetzung
  3. Lohnpfändung bevorzugen: Effektivste Vollstreckungsmaßnahme
  4. Alles dokumentieren: Zahlungseingänge, Korrespondenz, Belege
  5. Beratung suchen: Jugendamt, Sozialberatung, Rechtsanwalt

Häufige Fragen

Was kann ich tun, wenn der Unterhaltspflichtige nicht zahlen kann?

Wenn der Unterhaltspflichtige tatsächlich leistungsunfähig ist (Arbeitslosigkeit, Krankheit), können Sie Unterhaltsvorschuss beantragen. Das Jugendamt prüft die Leistungsfähigkeit und fordert den Vorschuss vom Pflichtigen zurück, sobald dieser wieder zahlen kann. Bei dauerhafter Leistungsunfähigkeit bleibt der Unterhaltsvorschuss Ihre Absicherung.

Verjähren Unterhaltsrückstände?

Ja, Unterhaltsrückstände verjähren nach 3 Jahren (§ 195 BGB). Die Verjährung beginnt am Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Titulierte Ansprüche (Urteil, Jugendamtsurkunde) verjähren erst nach 30 Jahren. Wichtig: Durch Vollstreckungsmaßnahmen wird die Verjährung gehemmt.

Kann der Unterhaltspflichtige wegen Unterhaltsschulden ins Gefängnis kommen?

Ja, unter bestimmten Voraussetzungen. Bei Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 170 StGB droht Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren. Voraussetzung ist, dass der Pflichtige trotz Leistungsfähigkeit nicht zahlt und dadurch der Lebensbedarf des Berechtigten gefährdet ist. Zusätzlich kann Erzwingungshaft (bis 6 Monate) angeordnet werden, um die Abgabe einer Vermögensauskunft zu erzwingen.

Muss ich einen Anwalt beauftragen, um den Unterhalt durchzusetzen?

Für die Zwangsvollstreckung (Lohnpfändung, Kontopfändung) ist kein Anwalt erforderlich. Sie können die Anträge selbst stellen oder das Jugendamt um Unterstützung bitten. Nur für gerichtliche Verfahren vor dem Familiengericht besteht Anwaltszwang. Bei Prozesskostenhilfe werden die Anwaltskosten übernommen.

Was passiert, wenn der Unterhaltspflichtige ins Ausland zieht?

Bei Aufenthalt im EU-Ausland können Sie den Unterhaltstitel nach der EU-Unterhaltsverordnung vollstrecken lassen. Für Nicht-EU-Länder gelten bilaterale Abkommen. Das Bundesamt für Justiz unterstützt bei der grenzüberschreitenden Durchsetzung. Die Vollstreckung im Ausland ist aufwendiger, aber grundsätzlich möglich.

Fazit

Wenn Unterhalt nicht gezahlt wird, haben Sie wirksame Mittel zur Durchsetzung. Die Lohnpfändung ist der effektivste Weg, um regelmäßige Zahlungen sicherzustellen. Der Unterhaltsvorschuss überbrückt finanzielle Engpässe. Bei hartnäckiger Verweigerung kann eine Strafanzeige nach § 170 StGB zusätzlichen Druck ausüben. Handeln Sie schnell und lassen Sie sich nicht hinhalten – Ihre Ansprüche sind berechtigt und durchsetzbar.

Weiterführende Informationen

Für vertiefende Informationen empfehlen wir Ihnen folgende Artikel:

Nutzen Sie auch unseren Unterhaltsrechner zur Berechnung Ihres Unterhaltsanspruchs.

Quellen

Die Informationen basieren auf folgenden offiziellen Quellen:

Hinweis: Alle Angaben ohne Gewähr. Stand: Dezember 2025


Rechtlicher Hinweis: Die Informationen in diesem Ratgeber ersetzen keine professionelle Rechtsberatung. Bei komplexen rechtlichen Fragen empfehlen wir, einen Fachanwalt für Familienrecht zu konsultieren.