
Unterhalt nicht gezahlt: Konsequenzen, Pfändung und Strafbarkeit
Wenn Unterhalt nicht gezahlt wird, stehen viele Alleinerziehende vor einer schwierigen Situation. Der ausbleibende Kindesunterhalt kann schnell zu finanziellen Engpässen führen. Doch Sie stehen nicht hilflos da: Von der Lohnpfändung über den Unterhaltsvorschuss bis hin zur Strafanzeige gibt es wirksame Mittel, um Ihre Ansprüche durchzusetzen. Dieser Ratgeber erklärt alle Konsequenzen für den Unterhaltspflichtigen und zeigt Ihnen Ihre Handlungsoptionen.
Erste Schritte bei Nichtzahlung
Wenn der Unterhalt ausbleibt, sollten Sie schnell handeln:
Sofortmaßnahmen
- Zahlungserinnerung senden: Schriftlich mit Fristsetzung (7-14 Tage)
- Grund klären: Gibt es einen nachvollziehbaren Grund (Krankheit, Jobverlust)?
- Belege sichern: Kontoauszüge, Überweisungshistorie dokumentieren
- Unterhaltstitel prüfen: Haben Sie einen vollstreckbaren Titel?
- Unterhaltsvorschuss beantragen: Überbrückung während der Durchsetzung
Wichtig: Warten Sie nicht zu lange. Unterhaltsrückstände verjähren nach 3 Jahren. Je früher Sie handeln, desto besser stehen Ihre Chancen.
Mahnung mit Fristsetzung
Eine schriftliche Mahnung ist der erste formale Schritt:
Betreff: Mahnung – Unterhaltsrückstand
Sehr geehrte(r) [Name],
der Unterhalt für [Kind] in Höhe von [Betrag] € für [Monat/Jahr]
ist bis heute nicht auf meinem Konto eingegangen.
Ich fordere Sie auf, den rückständigen Betrag bis zum [Datum + 14 Tage]
auf folgendes Konto zu überweisen: [Kontodaten]
Sollte die Zahlung nicht fristgerecht erfolgen, werde ich rechtliche
Schritte einleiten, insbesondere die Zwangsvollstreckung aus dem
bestehenden Unterhaltstitel.
Mit freundlichen Grüßen
[Unterschrift]
Vollstreckung aus dem Unterhaltstitel
Wenn Sie einen vollstreckbaren Unterhaltstitel haben (Urteil, Jugendamtsurkunde, notarielle Urkunde), können Sie sofort vollstrecken:
Voraussetzungen für die Vollstreckung
- Vollstreckbarer Titel: Urteil, Beschluss, Jugendamtsurkunde, notarielle Urkunde
- Vollstreckungsklausel: Bei gerichtlichen Titeln erforderlich
- Fälligkeit: Der Unterhalt muss fällig sein
- Zustellung: Der Titel muss dem Schuldner zugestellt sein
Arten der Zwangsvollstreckung
| Vollstreckungsart | Beschreibung | Kosten |
|---|---|---|
| Lohnpfändung | Arbeitgeber zahlt direkt an Sie | ca. 30-50 € |
| Kontopfändung | Zugriff auf Bankguthaben | ca. 30-50 € |
| Sachpfändung | Gerichtsvollzieher pfändet Gegenstände | ca. 50-150 € |
| Taschenpfandrecht | Bei Selbständigen | Variabel |
Lohnpfändung: Der effektivste Weg
Die Lohnpfändung ist die wirksamste Vollstreckungsmaßnahme bei Unterhalt:
Ablauf:
- Antrag auf Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beim Amtsgericht
- Zustellung an den Arbeitgeber des Unterhaltspflichtigen
- Arbeitgeber muss pfändbaren Teil des Lohns direkt an Sie überweisen
- Monatliche Zahlungen solange das Arbeitsverhältnis besteht
Vorteile der Lohnpfändung:
- Regelmäßige monatliche Zahlungen
- Arbeitgeber ist zur Abführung verpflichtet
- Geringer Aufwand nach Einrichtung
- Auch für künftige Unterhaltsansprüche wirksam
Pfändungsfreigrenzen beim Unterhalt
Für Unterhaltsschulden gelten besondere Pfändungsgrenzen:
| Situation | Reguläre Pfändungsfreigrenze | Bei Unterhaltsschulden |
|---|---|---|
| Alleinstehend | 1.491,75 € | Bis zum Selbstbehalt (1.200 €) |
| Mit 1 unterhaltsberechtigter Person | 2.059,99 € | Reduziert sich entsprechend |
Vorteil für Unterhaltsgläubiger: Bei Kindesunterhalt gilt der privilegierte Unterhaltsrang. Der Schuldner behält nur den notwendigen Selbstbehalt von 1.200 € (Stand 2025).
Kontopfändung
Wenn keine Lohnpfändung möglich ist (Selbständige, Arbeitslose), können Sie das Konto pfänden:
- Erfasst alle Kontoguthaben über dem Pfändungsschutzkonto-Freibetrag
- P-Konto-Schutz: 1.500 € monatlich (Stand 2025)
- Unterhaltsberechtigte können erweiterte Pfändung beantragen
Strafbarkeit: Verletzung der Unterhaltspflicht (§ 170 StGB)
Wer sich der Unterhaltspflicht entzieht, macht sich strafbar:
§ 170 StGB – Verletzung der Unterhaltspflicht
"Wer sich einer gesetzlichen Unterhaltspflicht entzieht, so dass der Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten gefährdet ist oder ohne die Hilfe anderer gefährdet wäre, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."
Voraussetzungen der Strafbarkeit
- Gesetzliche Unterhaltspflicht: Kindesunterhalt, Ehegattenunterhalt, Elternunterhalt
- Entziehung: Vorsätzliche Nichtzahlung trotz Leistungsfähigkeit
- Gefährdung des Lebensbedarfs: Der Berechtigte kann seinen Lebensbedarf nicht decken
- Vorsatz: Der Pflichtige weiß, dass er zahlen müsste und könnte
Strafmaß
| Verstoß | Mögliche Strafe |
|---|---|
| Erstverstoß | Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis 1 Jahr |
| Wiederholungsfall | Freiheitsstrafe bis 3 Jahre |
| Besonders schwere Fälle | Freiheitsstrafe 1-3 Jahre |
Strafanzeige erstatten
Sie können bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft Strafanzeige erstatten:
Erforderliche Angaben:
- Personalien des Unterhaltspflichtigen
- Unterhaltstitel (Kopie)
- Nachweis über ausbleibende Zahlungen
- Eigene finanzielle Situation (Gefährdung des Lebensbedarfs)
Hinweis: Die Strafanzeige ersetzt nicht die zivilrechtliche Durchsetzung. Sie ist ein zusätzliches Druckmittel, führt aber nicht zur Zahlung des Unterhalts.
Wann ist eine Strafanzeige sinnvoll?
Eine Strafanzeige ist insbesondere sinnvoll, wenn:
- Der Pflichtige trotz Leistungsfähigkeit dauerhaft nicht zahlt
- Andere Maßnahmen erfolglos waren
- Der Pflichtige sein Vermögen verschleiert oder beiseiteschafft
- Abschreckungswirkung für künftige Zahlungen erwünscht ist
Unterhaltsvorschuss als Überbrückung
Der Unterhaltsvorschuss sichert Ihren Lebensunterhalt während der Durchsetzung:
Höhe des Unterhaltsvorschusses 2026
| Altersgruppe | Mindestunterhalt 2026 | Abzüglich Kindergeld | Unterhaltsvorschuss |
|---|---|---|---|
| 0-5 Jahre | 486 € | 259 € | 227 € |
| 6-11 Jahre | 558 € | 259 € | 299 € |
| 12-17 Jahre | 653 € | 259 € | 394 € |
Voraussetzungen
- Kind unter 18 Jahren
- Kind lebt bei einem alleinerziehenden Elternteil in Deutschland
- Anderer Elternteil zahlt keinen oder zu wenig Unterhalt
- Keine Wiederheirat oder eheähnliche Gemeinschaft
Antragstellung
Der Antrag wird beim Jugendamt gestellt:
- Formular "Antrag auf Unterhaltsvorschuss"
- Geburtsurkunde des Kindes
- Nachweis über Alleinerziehenden-Status
- Unterhaltstitel (falls vorhanden)
- Nachweise über bisherige Unterhaltszahlungen
Wichtig: Das Jugendamt fordert den Unterhaltsvorschuss vom Unterhaltspflichtigen zurück. Sie müssen bei der Ermittlung mitwirken.
Weitere Konsequenzen für den Unterhaltspflichtigen
Eintrag im Schuldnerverzeichnis
Bei fruchtloser Pfändung wird der Unterhaltspflichtige im Schuldnerverzeichnis eingetragen:
- Eintrag für 3 Jahre
- Einsehbar für jedermann
- Beeinträchtigt Kreditwürdigkeit
- Kann berufliche Konsequenzen haben
SCHUFA-Eintrag
- Unterhaltsschulden können zu SCHUFA-Einträgen führen
- Negative Auswirkung auf Score
- Probleme bei Kreditvergabe, Mietverträgen, Handy-Verträgen
Vermögensauskunft (eidesstattliche Versicherung)
Bei fruchtloser Pfändung kann eine Vermögensauskunft verlangt werden:
- Offenlegung aller Vermögenswerte
- Eidesstattliche Versicherung der Vollständigkeit
- Falsche Angaben sind strafbar (§ 156 StGB)
- Gültigkeit: 2 Jahre
Erzwingungshaft
Als letztes Mittel kann Erzwingungshaft angeordnet werden:
- Maximal 6 Monate
- Soll zur Abgabe der Vermögensauskunft zwingen
- Keine Strafhaft, sondern Zwangsmittel
- Endet bei Zahlung oder Abgabe der Auskunft
Praxisbeispiel: Durchsetzung von Unterhaltsrückständen
Ausgangssituation
Situation:
- Alleinerziehende Mutter mit 8-jährigem Kind
- Unterhaltstitel über 450 € monatlich (Jugendamtsurkunde)
- Vater zahlt seit 4 Monaten nicht
- Unterhaltsrückstand: 1.800 €
- Vater arbeitet als Angestellter (bekannter Arbeitgeber)
Durchsetzungsstrategie
Schritt 1: Sofortmaßnahmen
- Unterhaltsvorschuss beantragen: 299 €/Monat
- Schriftliche Mahnung mit 14-Tages-Frist senden
Schritt 2: Lohnpfändung einleiten
- Antrag auf Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beim Amtsgericht
- Kosten: ca. 35 €
- Bearbeitungszeit: 1-2 Wochen
Schritt 3: Vollstreckung
- Zustellung an Arbeitgeber
- Monatliche Direktzahlung des pfändbaren Betrags
- Rückstände werden über erhöhte Pfändung abgetragen
Ergebnis:
- Laufender Unterhalt gesichert durch Lohnpfändung
- Unterhaltsvorschuss entfällt nach Wiederaufnahme der Zahlungen
- Rückstand wird innerhalb von 6-12 Monaten abgetragen
Tipps für Unterhaltsberechtigte
- Schnell handeln: Je länger Sie warten, desto höher der Rückstand
- Unterhaltsvorschuss nutzen: Überbrückt die Zeit bis zur Durchsetzung
- Lohnpfändung bevorzugen: Effektivste Vollstreckungsmaßnahme
- Alles dokumentieren: Zahlungseingänge, Korrespondenz, Belege
- Beratung suchen: Jugendamt, Sozialberatung, Rechtsanwalt
Häufige Fragen
Was kann ich tun, wenn der Unterhaltspflichtige nicht zahlen kann?
Wenn der Unterhaltspflichtige tatsächlich leistungsunfähig ist (Arbeitslosigkeit, Krankheit), können Sie Unterhaltsvorschuss beantragen. Das Jugendamt prüft die Leistungsfähigkeit und fordert den Vorschuss vom Pflichtigen zurück, sobald dieser wieder zahlen kann. Bei dauerhafter Leistungsunfähigkeit bleibt der Unterhaltsvorschuss Ihre Absicherung.
Verjähren Unterhaltsrückstände?
Ja, Unterhaltsrückstände verjähren nach 3 Jahren (§ 195 BGB). Die Verjährung beginnt am Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Titulierte Ansprüche (Urteil, Jugendamtsurkunde) verjähren erst nach 30 Jahren. Wichtig: Durch Vollstreckungsmaßnahmen wird die Verjährung gehemmt.
Kann der Unterhaltspflichtige wegen Unterhaltsschulden ins Gefängnis kommen?
Ja, unter bestimmten Voraussetzungen. Bei Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 170 StGB droht Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren. Voraussetzung ist, dass der Pflichtige trotz Leistungsfähigkeit nicht zahlt und dadurch der Lebensbedarf des Berechtigten gefährdet ist. Zusätzlich kann Erzwingungshaft (bis 6 Monate) angeordnet werden, um die Abgabe einer Vermögensauskunft zu erzwingen.
Muss ich einen Anwalt beauftragen, um den Unterhalt durchzusetzen?
Für die Zwangsvollstreckung (Lohnpfändung, Kontopfändung) ist kein Anwalt erforderlich. Sie können die Anträge selbst stellen oder das Jugendamt um Unterstützung bitten. Nur für gerichtliche Verfahren vor dem Familiengericht besteht Anwaltszwang. Bei Prozesskostenhilfe werden die Anwaltskosten übernommen.
Was passiert, wenn der Unterhaltspflichtige ins Ausland zieht?
Bei Aufenthalt im EU-Ausland können Sie den Unterhaltstitel nach der EU-Unterhaltsverordnung vollstrecken lassen. Für Nicht-EU-Länder gelten bilaterale Abkommen. Das Bundesamt für Justiz unterstützt bei der grenzüberschreitenden Durchsetzung. Die Vollstreckung im Ausland ist aufwendiger, aber grundsätzlich möglich.
Fazit
Wenn Unterhalt nicht gezahlt wird, haben Sie wirksame Mittel zur Durchsetzung. Die Lohnpfändung ist der effektivste Weg, um regelmäßige Zahlungen sicherzustellen. Der Unterhaltsvorschuss überbrückt finanzielle Engpässe. Bei hartnäckiger Verweigerung kann eine Strafanzeige nach § 170 StGB zusätzlichen Druck ausüben. Handeln Sie schnell und lassen Sie sich nicht hinhalten – Ihre Ansprüche sind berechtigt und durchsetzbar.
Weiterführende Informationen
Für vertiefende Informationen empfehlen wir Ihnen folgende Artikel:
- Unterhalt einklagen: Vollständiger Leitfaden
- Unterhaltstitel: Jugendamt, Notar oder Gericht
- Unterhaltsvorschuss: Die wichtigsten Fakten
- Rechtliche Konsequenzen bei Unterhaltsumgehung
- Düsseldorfer Tabelle 2026
Nutzen Sie auch unseren Unterhaltsrechner zur Berechnung Ihres Unterhaltsanspruchs.
Quellen
Die Informationen basieren auf folgenden offiziellen Quellen:
- Strafgesetzbuch (StGB): § 170 Verletzung der Unterhaltspflicht
- Zivilprozessordnung (ZPO): §§ 704 ff. (Zwangsvollstreckung), §§ 850 ff. (Pfändungsschutz)
- Bundesministerium für Familie: Unterhaltsvorschuss
- Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2025
Hinweis: Alle Angaben ohne Gewähr. Stand: Dezember 2025
Rechtlicher Hinweis: Die Informationen in diesem Ratgeber ersetzen keine professionelle Rechtsberatung. Bei komplexen rechtlichen Fragen empfehlen wir, einen Fachanwalt für Familienrecht zu konsultieren.